Welche Bilanz können Sie nach Ihrer siebenjährigen Amtszeit als Präsident von Swiss Sailing ziehen?
Ich bin dankbar für die faszinierende Erfahrung und gleichzeitig froh, dass ich die Aufgabe weitergeben kann. Heute hat Swiss Sailing funktionierende Strukturen, in denen sich engagierte und motivierte Menschen für die Förderung des Segelsports in der Schweiz einsetzen. Der verkleinerte Zentralvorstand führt den Verband strategisch, die Geschäftsleitung verantwortet das operative Geschäft und aus Kreisen der Klubs und Klassen kommt viel positives Feedback.
Mit der Gründung der Swiss Sailing Team AG haben wir früh das Richtige getan. Mit etwas Glück werden wir 2012 das Medaillenziel nach 44 Jahren endlich erreichen. Und mit dem Sponsoring und der SUI Sailing Night 2008 waren wir bis zur Finanzkrise 2009 gut unterwegs. Ich bedaure aber, dass ich nicht noch mehr Zeit investieren konnte und dass ich in den besten Kreisen unserer Gesellschaft herkunftsbedingt nicht gut vernetzt bin. Swiss Sailing braucht im Zentralvorstand Seglerinnen und Segler, denen die Türen zu den Mächtigen in diesem Land offen stehen.
Roger Staub ist der Initiator der SUI Sailing Awards, den offiziellen Auszeichnungen des Schweizer Segelsports, die alle zwei Jahre vom Cruising Club Schweiz, Skippers und Swiss Sailing vergeben werden. Im Bild die Westschweizer Sieger der Awards 2010: das SNG Youth Sailing Team, vertreten durch Alex Schneiter, Yvan Ravussin (Offshore Sailor), Sébastien Schneiter (Junior Sailor) und Pierre Fehlmann (Volunteer, für seine gesamte Karriere). © Beat Schweizer
Wie wird die Amtsübergabe an Vincent Hagin aussehen?
Vincent bereitet sich intensiv auf seine Aufgabe vor und will sich in dieser Saison insbesondere in der deutschen Schweiz bei Clubs und Klassen besser bekannt machen. Seit seiner Wahl zum Vizepräsidenten arbeiten wir im Präsidium, also gemeinsam mit Theo Naef intensiv zusammen und bilden ein gutes Team.
Was glaube Sie, wie viele Schweizer werden sich für London 2012 qualifizieren?
Wenn sich alle Klassen qualifizieren, werden wir ein tolles Team mit genauso vielen Athleten haben wie an den olympischen Spielen 2008 in Peking. Insgesamt wird die Schweiz durch neun Seglerinnen und Segler auf Star, Laser Radial und Standard, 470er und im Windsurfen vertreten sein. In den Klassen Finn, 49er und dem Windsurfen der Frauen werden keine Schweizer an den Start gehen. Wenn alles gut geht, bringen sieben der neun Athleten bereits Olympiaer-fahrung mit. Vielleicht werden wir ja mit einem Dream-Team, auf das Swiss Sailing nun doch schon seit einigen Jahren wartet, und mit echten Medaillenchancen nach London reisen.
Wie kann man Sponsoren dazu bringen, die Segler vermehrt zu unterstützen?
Sponsoring ist seit der Finanzkrise ein ganz schwieriges Geschäft geworden. Auch wenn ich weiterhin glaube, dass Roni Pieper recht hatte mit seiner Ansicht, dass man Sponsoren ein Gesamtpaket mit Stars/Athleten, Breite mit vielen Mitgliedern und Events mit Hospitality anbieten muss – weil Sponsoren immer eine berechenbare Gegenleistung erwarten – ist es in einer Randsportart für einen relativ kleinen Verband sehr schwierig, diese Gegenleistung mit vernünftigem Aufwand zu erbringen. Etwas anders wird es nach einem Medaillengewinn in London aussehen…
Welche grossen Herausforderungen kommen in den nächsten zehn Jahren auf Swiss Sailing und auf den Segelsport im Allgemeinen zu?
Dem Segelsport geht es gut, er entwickelt sich sowohl international als auch auf unseren Seen gut weiter. Für den Schweizer Segelsport waren die letzten zehn Jahre aussergewöhnlich. Wir glauben, dass sich der Regattasport in den nächsten zehn oder gar fünfzehn Jahre auf drei verschiedenen Ebenen abspielen wird. Die erste betrifft das olympische Segeln, das gerade einer Verjüngungskur unterzogen wird, damit es die Auflagen des IOKs erfüllt. Es muss Leistung zeigen, universell und sexy sein und den Normen des modernen Sports genügen, wie das beispielsweise der Skicross bei den Wintersportarten tut. Die Entscheidungen von der ISAF im Mai bekannt gegebenen könnten in der olympischen Segellandschaft und in der Jollenszene tiefgreifende Veränderungen zur Folge haben. Auf uns kommt eine schwierige Aufgabe zu, die es uns aber ermöglichen wird, olympisch zu bleiben. Die zweite Ebene betrifft den Hochseesegelsport. Mit all ihren hochkarätigen Offshore-Seglern kann hier auch die Schweiz ein Wort mitreden. Unserem zukünftigen Präsidenten liegt dieser Punkt besonders am Herzen. Er will herausfinden, wie wir den jungen Seglern am besten helfen, damit sie im Anschluss an die Ausbildung bei Swiss Sailing den Sprung in die Hochseeszene schaffen. Mittelfristig gehört dieses Ziel zu den grossen Herausforderungen von Swiss Sailing. Die dritte Ebene schliesslich betrifft das Match Racing und den America’s Cup. Obwohl wir nicht wissen, ob ein Schweizer Syndikat irgendwann erneut nach diesem Pokal greift, wollen wir unseren Seglern die nötigen Voraussetzungen bieten, um sich in den professionellen Match Race Circuit zu etablieren. Mit diesen Massnahmen sollte es möglich sein, langfristig eine „swiss made“-Ausbildung anzubieten, mit der möglichst viele Schweizer Segler Zugang zum internationalen Profisegelsport haben und auch davon leben können.
Die Deutschschweizer Preisträger der SUI Sailing Awards 2010 posieren zusammen: das Duo Linda Fahrni & Maja Siegenthaler (Female Sailor) und die Paarung Flavio Marazzi & Enrico De Maria (Male Sailor). © Beat Schweizer
Welcher Schweizer Sportverband könnte dabei eine Vorbildfunktion einnehmen?
Jeder Verband sollte sich an dem inspirieren, was anderswo getan wird, dabei aber seine eigene Identität wahren. Hier liegt der Schlüssel zum Erfolg. Für das olympische Segeln könnte sich Swiss Sailing an den Engländern ein Beispiel nehmen, für die Hochseeregatten oder Segeln als Breitensport an den Franzosen und für den America’s Cup an Alinghi. Neben den Infrastrukturen sind aber vor allem die Männer und Frauen auf den Booten ausschlaggebend. Uns fehlt es bestimmt nicht an Kompetenz, sondern eher an einer Sportkultur, wie man sie in Australien in der Region Sydney kennt.
Schliessen Sie sich den Kritikern an, die mOcean für einen Flop halten?
Nein, obwohl das Projekt Mühe hat sich durchzusetzen und die Zielvorgaben zu erreichen. Mit der mOcean und Sailbox verfügen wir über ein hochinteressantes Produkt, das die Clubs nutzen können, um einer breiten Bevölkerung und besonders den 18- bis 36-Jährigen die Möglichkeit zu bieten, kostengünstig und zusammen mit Freunden zu segeln. 80 Prozent der Segler in der Schweiz gehören zwar keinem Club an, doch es können noch immer all diejenigen motiviert werden, die eigentlich Lust darauf hätten. Auch für Clubs, die ihr Tätigkeitsfeld ausbauen möchten, indem sie zum Beispiel mit ihrer Gemeinde oder mit anderen Sporteinrichtungen zusammenarbeiten, ist die mOcean in Kombination mit Sailbox ein interessantes Instrument. Dazu müssen allerdings die Clubstrukturen hinterfragt und eine etwas kommerziellere Strategie ausgearbeitet werden. Und wie immer braucht Neues in der Schweiz Zeit…
Welche Auswirkungen haben die SUI Sailing Awards aus Ihrer Sicht?
Für unsere Gemeinschaft sind sie wichtig und motivierend und zudem treiben sie die Segler an, ihr Bestes zu geben, um Resultate zu bringen und zum Segler des Jahres gekürt zu werden. Das Medienecho ist ausser in der Fachpresse nicht so gross wie erwartet, aber das liegt auch daran, dass Segeln bei uns eben doch eine Randsportart ist. Und genau in diese Richtung wollen wir arbeiten, um die Wirksamkeit der SUI Sailing Awards zu verbessern.