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Christian Niels „Mariska hat eine Seele“

von Quentin Mayerat

Mariska (l.) prescht auf die Startlinie zu und bläst zum Angriff auf Mariquita und Altaïr. © Jean-Guy Python

„Leg deine Tasche hierhin und binde sie an! Wir werden die Kojensegel montieren, denn an einer Regatta kann ein Boot ganz schön schwanken!“ Kaum an Bord erteilt Tiphaine Rerolle, die Partnerin des Kapitäns, genaue Anweisungen. Recht hat sie. Die Krängung ist manchmal so stark, dass im Salon alles festgebunden werden muss. Spätestens gegen Mittag, als die Fife-Jacht unter der Sonne der Provence bei 15 Knoten am Wind segelt, erfahre ich das am eigenen Leib.

Lionel Péan hochkonzentriert am Steuer © Jean-Guy Python

Während andere in Oldtimerautos, Ferraris oder zeitgenössische Kunst investieren, hat sich der Lausanner Liegenschaftsverwalter Christian Niels eine Jacht gegönnt. Aber nicht irgendeine! Mariska ist ein Prachtexemplar! Sie wurde fachmännisch restauriert und gleitet stolz über die Wellen vor Antibes.

Mariska in der Startphase neben Agneta (r.), die ihr die Vorfahrt verweigert und dafür bestraft wird. © Jean-Guy Python

Mariska war 1908 die zweite von William Fife gebaute 15-Meter-Jacht. Heute segeln nur noch vier der geschichtsträchtigen Schiffe: Mariska, Tuiga, The Lady Ann und Hispania. Der 90 Fuss lange Gaffelkutter hat keine Winschen und braucht deshalb eine entsprechend grosse Besatzung. Dennoch ist er ungewöhnlich wendig und bei Schwachwind erstaunlich schnell. Von 2007 bis 2009 wurde er von Grund auf restauriert. Er erhielt sein ursprüngliches Rigg zurück, während für das Spantwerk und die Bodenwrangen edlere Materialien wie Iroko, Spruce, Douglasie und für das Deck Teak verwendet wurden. Christian Niels hat dafür gesorgt, dass die Jacht nicht das gleiche Schicksal ereilt wie viele Racer, die häufig zu Hausbooten umfunktioniert werden und manchmal nicht mehr zu reparieren sind. Ihm ist es zu verdanken, dass Mariska weiterhin Segelgeschichte schreibt.

Ohne Winschen an Bord sind bei Manövern alle Hände gefragt. © Jean-Guy Python

Niels ist glücklich. Er nennt nicht nur ein bootsbauerisches Schmuckstück sein eigen, sondern hat auch wesentlich dazu beigetragen, einen Zeitzeugen zu retten. „Ich habe das Boot 2007 aus Nordholland geholt. Es versank im Schlick und war völlig verwahrlost. Wir haben es bei den Charpentiers Réunis im französischen La Ciotat restaurieren lassen. Nach zweijähriger Restauration konnten wir die Mariska im Jahr 2009 zum 100. Geburtstag der Tuiga wieder einwassern.

© Jean-Guy Python

Vierzig Jahre lang war Mariska im Besitz des schwedischen Jazzmans und Malers Olle Grafström. Christian Niels: „Er hat Mariska gepflegt, aber daraus ein Hausboot mit zentraler Ölheizung gemacht. Trotzdem darf man aber nicht vergessen, dass Grafström die Jacht Anfang der 1950er-Jahre gerettet hat. Dass es sie überhaupt noch gibt, verdanken wir ihm. Es ist ein wunderbares Boot, das viel Sympathie erzeugt. Und wir haben das Glück, auf eine Crew zählen zu können, die uns von Anfang an begleitet.“

Passionierter Eigner

Später erzählt uns der Lausanner zwischen zwei Manövern noch mehr über seine Leidenschaft für das Segelboot. Jetzt bahnt sich der Oldtimer aber gerade einen Weg zwischen den Konkurrenten hindurch, um aus möglichst guter Position starten zu können. Steuermann Lionel Péan und Taktiker Christian Ponthieux sind in dieser Vorstartphase hochkonzentriert. „Lionel, pass auf die Leeseite auf, damit du nicht rausfällst. Vorne stark fieren, aber Vorsicht, es bleiben nur noch dreieinhalb Minuten. Jetzt langsam loslassen und Tempo aufnehmen. Beginnt mit dem Setzen. Nur um es in Form zu bringen, nicht mehr. Achtung, los! Jetzt, wenn wir nicht zu spät an der Linie sein wollen!“ Schlag auf Schlag folgen Ponthieux‘ knappe Anweisungen. Er weiss genau, was zu tun ist. Währenddessen versucht sich der Schoner Altair an Steuerbord mit einer Finte vorbeizuschieben. Lionel Péan meldet sich lautstark zu Wort: „Kommt schon, Jungs, trimmt das Segel richtig! Achtung auf Steuerbord, er wird uns einklemmen… No room, no room… Nein, er wagt es nicht… bereitet die rote Flagge vor, wir müssen protestieren!“ Das Rennen ist bereits in vollem Gang. Ein Zweikampf jagt den nächsten.

„Ein Boot zu kaufen, egal welches, ist immer verrückt“, gesteht Christian Niels später. „Ich habe mir die Frage gestellt, was ich eigentlich will: eine klassische Jacht, Wettkämpfe, Regatten? Da ich Wettkampfgeist besitze und die Herausforderung mag, habe ich einen Racer gesucht, aber eher einen klassischen, weil er eine Vergangenheit hat. Diese Boote haben eine Seele, sie wurden von Handwerkern gebaut. Eine Klassikerjacht macht keinen Lärm. Man hört nur die Wellen, das Wasser und den Wind. Die neuen Schiffe sind zu regelrechten Schallkörpern geworden. Auf der Mariska zu segeln (Niels ist Focktrimmer) und ein solches Boot zu besitzen ist etwas Wunderbares. Ich habe eine enge Beziehung zu ihr. Mariska ist kein lebloser Gegenstand, sondern ein vollwertiges Teammitglied. Wir umsorgen sie, sprechen mit ihr und wenn sie gut läuft, spüren wir das. Die 16 Crewmitglieder haben verstanden, dass eine klassische Jacht, wenn sie so behandelt wird, eine Seele hat.“

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