Grosser Sportanlass für die einen, lächerliche Farce für die anderen. Selten war eine Regatta so umstritten wie der 35. America’s Cup. Spektakulär wird er aber allemal.

Fragwürdige Vereinbarung
Seit Februar stellen sich die Black Kiwis nicht nur gegen Oracle, sondern gegen die gesamte Flotte. Im Zentrum der Kontroverse steht das Framework Agreement. Diese Ende Januar präsentierte Vereinbarung legt die Regeln für die nächsten Austragungen des Cups in den Jahren 2019 und 2021 fest und wurde von allen Teams gutgeheissen und unterzeichnet – ausser von ETNZ. Laut Russell Coutts, der das Framework Agreement in die Wege geleitet hat, ist die Vereinbarung ein extrem wichtiger Meilenstein in der Cupgeschichte. Sie komme allen Teams entgegen, indem sie ihre Interessen wahre, für Kontinuität im Hinblick auf eine bessere Vermarktung sorge und helfe, die Kosten zu senken. Alle Beteiligten loben die Regeländerungen. Das Gegenteil hätte aber auch erstaunt. Ernesto Bertarelli äusserte sich nicht zur Kontroverse. Er wolle abwarten, bevor er Stellung beziehe. „Ich hoffe aber, dass genauso hart gekämpft wird wie bei den Extreme Sailing Series“, liess er verlauten. „Was die Zukunft des Cups angeht, sollten wir warten, wie der Defender der 36. Austragung den einzigartigen Charakter der Regatta zu erhalten gedenkt.“
Eine ideale Welt?

Das Framework Agreement vollziehe aber einen Paradigmenwechsel, lautet ihre Kritik.
Wenn man sich die Zeit nimmt, die Vereinbarung im Detail zu studieren, muss man den Neuseeländern Recht geben. Sie enthält so einige dubiose Regeln und legt Neuzugängern grosse Steine in den Weg. So werden die erlaubten Segeltage zwischen zwei Cups zum Beispiel beschränkt. Wie soll sich ein neues, ernstzunehmendes Syndikat für eine Teilnahme interessieren, wenn es keine Möglichkeit hat, sich zu profilieren? Nur Teams, die bereits dieses Jahr dabei sind, haben eine Chance, sich weiterzuentwickeln und Erfahrung zu sammeln. Im Jahr 2019 neu dazuzustossen ist daher völlig sinnlos. Hinzu kommt, dass der fragwürdige Inhalt nicht nur das Wesen des Wettkampfs grundlegend verändert, es bleiben auch viele Punkte ungeklärt. Der Widerstand von ETNZ ist deshalb durchaus nachvollziehbar.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Mehrere Experten, darunter der berühmte Jurist und America’s-Cup-Spezialist Tom Ehman, bestätigen, dass das Framework Agreement vom künftigen Sieger folgenlos aufgehoben werden kann. Es ist für die Deed of Gift somit völlig wertlos.
Vielversprechende Innovationen
Einmal abgesehen von diesen Querelen und egal, für wen man Partei ergreift, ist nicht von der Hand zu weisen, dass der 35. America’s Cup technologisch und sportlich eine Herausforderung darstellt. Für Laien ohne aero- und hydrodynamisches Fachwissen ist die Entwicklung der Boote leider äusserst komplex und undurchsichtig. Auch die Präsentation der Boote hat da nicht weitergeholfen, denn eigentlich unterscheiden sich nur die Foils und Riggs von der Vorgängerversion. ETNZ war aber trotzdem für eine Überraschung gut. An Deck wurden die herkömmlichen Grinder-Säulen durch vier hintereinander angeordnete Fahrradpedale ersetzt. Ebenfalls für Aufsehen sorgten die Foils, die aussehen wie die Flügel eines Sturzbombers. Ohne objektive Vergleichsmöglichkeit ist allerdings unklar, wie effektiv diese unkonventionellen Neuerungen sind.

Seine Zukunft aber bleibt unsicher und wird davon abhängen, wer als Sieger hervorgeht. Man könnte verleitet sein, den Neuseeländern den Sieg zu wünschen, damit der Cup wieder zu seinem traditionellen Format zurückfindet. Aber ob die Kiwis im Falle eines Erfolgs dann tatsächlich fair bleiben, weiss niemand. Im Mai und Juni geht die Saga in eine weitere Runde. Freuen wir uns auf ganz grosses Segelkino.
