© Carlo Borlenghi
Vom 29. September bis 7. Oktober machten strahlende Sonne, ein schönes Meer und viel Wind die Voiles de Saint-Tropez zu einem ganz besonderen Jahrgang. Von den rund dreihundert klassischen und modernen Booten, die sich im südfranzösischen Golf eingefunden hatten, sorgten vor allem die vier noch immer segelnden 15-Meter-Boote für grosses Spektakel. Mariska, Tuiga, Hispania und The Lady Ann waren zum ersten Mal in Saint-Tropez vereint und lieferten sich die ganze Woche hindurch ein Bug-an-Bug-Rennen, wobei sich die energischen Skipper nicht um das hohe Alter ihrer Schiffe zu scheren schienen. „Wir segeln genauso intensiv wie auf modernen Schiffen, aber mit solchen Boliden dürfen wir uns keine Fehler erlauben. Wenn das Boot krängt, sind wir oft im Wasser“, sagte Romain Detroyat, der die Saison auf der von Fife entworfenen Mariska (1908) von Christian Niels segelte. Eine Schot durchholen oder ein Backstag steif setzen ist auf diesen übertuchten Riesen nichts für Anfänger. „Wir haben eine schöne Saison mit einem super Team hinter uns, aber der Erfolg stellte sich nicht wirklich ein. Am letzten Tag war The Lady Ann strategisch besser“, kommentierte Edouard Kessi, der das Schweizer Boot steuerte. The Lady Ann gewann dank zwei Laufsiegen, während Mariska nur einen der vier Läufe für sich entscheiden konnte. Die britische Jacht holte sich auch gleich die zwischen den vier historischen Booten aus der glorreichen Zeit der JI Class ausgetragene Challenge und schnappte damit der Mariska, die Anfang September in Imperia gewonnen hatte, den ersten Platz vor der Nase weg.
© Gilles Martin-Raget
Pokal der Hundertjährigen
Am Donnerstag boten die ehrwürdigen alten Damen den Abertausend Schaulustigen an Land und auf dem Wasser im Rahmen der zweiten Gstaad Yacht Club Centenary Trophy (YCG) eine eindrückliche Vorstellung. Marigold, ein Gaffelkutter aus Grossbritannien, querte die Linie vier Minuten vor der Titelverteidigerin Bona Fide, die zu den schnellsten hundertjährigen Booten zählt. Die von Charles Sibbick entworfene Jacht aus dem Jahr 1899 nahm ihrer älteren Konkurrentin, die 1892 in der Werft Camper & Nicholson vom Stapel gegangen war, 14 Minuten ab. Damit die Zuschauer die Regatta besser verstehen, starteten die 16 Teilnehmer zeitversetzt, wobei verschiedene bootstypische Parameter in die Berechnung der Zeitintervalle einflossen. Den Anfang machte Lulu, ein Gaffelkutter aus dem Jahr 1897 mit kleiner Segelfläche (86 m2). Sie kam schliesslich als letzte der elf gewerteten Boote ins Ziel, während Mariska mit ihren 730 m2 Segelfläche Lulu ganze 46 Minuten und die Siegerin 28 Minuten hinter sich liess. „Ich bin glücklich über den Sieg und schätze es sehr, dass in unserem Handicap die Baumwollsegel der Marigold berücksichtigt wurden“, freute sich der Eigner Richard Allan im Ziel. Er ist ein Purist, der seine Nicholson-Jacht so gewissenhaft restauriert hat, dass er sogar auf Strom verzichtete. Die 10,7 Seemeilen lange Strecke wurde in rasantem Tempo bei einem 12 bis 15 Knoten starken Südwestwind zurückgelegt. Die Initianten der Trophy zeigten sich mit dem Format sehr zufrieden, wie Peter Erzerbger, der Kommodore des Gstaad Yacht Clubs, betonte. Er äusserte dennoch den Wunsch, für die nächsten Ausgaben noch mehr Daten über die Boote sammeln zu können, um das Handicap zu optimieren und das System noch besser zu machen. „Vielleicht können wir für künftige Ausgaben eine spezielle Centenary Rule erstellen“, meinte er.
Die Wally mit toller Leistung
Auch der mythische Club 55 Cup fand im Rahmen der Voiles de Saint-Tropez statt. Er wurde erstmals 1981 zwischen den beiden 12-Meter-Jachten Ikra und Pride gesegelt und bildete den Grundstein für die Nioulargue – die heutigen Voiles de Saint-Tropez. Am diesjährigen Match Race machten die 19M JI Mariquita und der Schoner Altaïr in der Bucht von Pampelonne den Sieg unter sich aus, wobei sich Altaïr gegen ihre Konkurrentin durchsetzte. Nach dieser mehrstündigen Sondervorstellung waren wieder die neun Wally am Zug. Sie zeigten die ganze Woche lang ihre Klasse und absolvierten insgesamt acht Regatten. In der Gruppe 1 fand sich Thomas Bscher am besten mit dem leichten Thermikwind zurecht. Génie von Rollo Parks gewann die Gruppe 2 mit einer fehlerfreien Leistung in den drei letzten Läufen.
Die 159 modernen Boote waren in fünf Gruppen aufgeteilt. In der rund dreissig Jachten starken IRC-A-Klasse wimmelte es von Berühmtheiten. Alle waren sie dabei, Velsheda und Il Moro di Venezia genauso wie Shamrock, Pen Duick VI und Med Spirit. Gegen die von Vrolik entworfene Jethou konnten sie in den fünf gesegelten Regatten jedoch nichts ausrichten. Besonders erwähnenswert ist das gute Abschneiden des Schweizers Ruedi Huber, der die IRC-D-Klasse auf seiner Music (eine Baltic 50) mit einer souveränen Leistung für sich entschied. Gordon’s, die Baltic 50 von Jörg König, wurde 7. von insgesamt 32 Booten und die Swan 47 Scherzo von Laurent Schenk belegte den 23. Platz. Über ein gutes Ergebnis konnte sich auch der Schweizer René Estoppey auf Ninotchka freuen. Die XP44 erreichte in der IRC-C-Klasse den siebten von insgesamt 33 Plätzen.
Mit nahezu 70 Starts in einer Woche, 300 Booten – von der ältesten, der Victory(1883) bis zum jüngsten Prototyp Code 0, den eleganten JI Class und den futuristischen Wally, den edlen Mahagoni- und Teakdecks und den modernen Karbon- und Mylard-Konstruktionen – haben die Voiles de Saint-Tropez dieses Jahr ihren Status als Mekka der Mittelmeersegler einmal mehr redlich verdient.