Diesen Sommer gab es beim SST viele Veränderungen. Inwieweit wirken sich diese auf die Struktur aus ?
Am treffendsten lassen sich die Veränderungen beim SST aus meiner Sicht mit dem Motto : „ Back to the roots – the sailing performance “ umschreiben. Ich denke, dass sich der Verwaltungsrat richtig entschieden hat, einem kleinem Management Team mit segelsportlicher Kompetenz und der noch frischen Olympiaerfahrung von 2008 das Steuer der Swiss Sailing Team AG anzuvertrauen. Damit ist die fachliche Vorbereitung auf den entscheidenden Event im Juli/August 2012 gewährleistet. Zudem können aufgrund weniger Entscheidungsinstanzen sowohl interne als auch externe Arbeitsprozesse effizient und zielführend gestaltet werden. Das ist vor dem Hintergrund der Zeitschiene (9 Monate) bis zu den Olympischen Spielen sehr wichtig. Zusätzlich setzen wir mit der Anstellung eines Junioren-Nationaltrainers ein klares Zeichen in Richtung hochwertig ausgerichteter Nachwuchsförderung und das bereits in einem Olympiajahr (!). Somit haben sich die Strukturvereinfachungen bei SST direkt auf die Unterstützung der Athleten ausgewirkt.
Worin besteht Ihre künftige Aufgabe ?
Meine Hauptaufgabe besteht in der organisatorischen, sportfachlichen und administrativen Führung der Swiss Sailing Team AG und der Interessensvertretung nach aussen. Dies beinhaltet naturgemäss sehr komplexe Aufgabenfelder und einige zusätzliche Funktionen im Vergleich zu meiner vorhergehenden Tätigkeit als Headcoach. Weit oben in der Prioritätenliste steht nach wie vor die enge Zusammenarbeit mit unserem Trainerstab, den Athleten und deren Projektleitern. Denn ohne den sportlichen Erfolg wird es grundsätzlich schwierig, Perspektiven für Spitzensportler anbieten zu können. Im administrativen und organisatorischen Bereich habe ich mit unserem Office Manager Marco Brunner einen wichtigen Rückhalt. In meiner Funktion als Chef Leistungssport bearbeite ich die Schnittstelle zu Swiss Olympic hinsichtlich der konzeptionellen Verankerung des Segelsports (Olympiaklassen und Juniorenklassen) in der Schweizer Sportstruktur. Bei der organisatorischen Vorbereitung der Olympischen Spiele nehme ich die Rolle des Teamchefs ein und bin damit das unmittelbare Bindeglied zwischen dem Chef de Mission von Swiss Olympic und unserem Segelteam. In enger Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat der Swiss Sailing Team AG erarbeiten wir die strategischen Stossrichtungen. Der Verwaltungsrat mit seinen kompetenten und vernetzten Mitgliedern ist für mich ein wichtiges Sounding Board. Wir alle pflegen zudem einen vertrauensvollen und konstruktiven fachlichen Austausch mit Swiss Sailing. Ich versuche allerdings von Zeit zu Zeit auch mal wieder im Motorboot zu stehen und zu trainieren bzw. zu coachen, damit ich nicht ganz das Gefühl dafür verliere, wofür ich denn letztendlich arbeite: nämlich für den Erfolg unserer Segler!
Auf welche Aspekte der sportlichen Vorbereitung werden Sie sich konzentrieren ?
Ich konzentriere mich auf übergreifende Aspekte der Trainings- und Wettkampfplanung, ihrer Durchführung und der permanent laufenden Feedbackanalyse. Für die Detailplanungen sind unsere erfahrenen National- bzw. Mandatstrainer zuständig. Mein wesentlicher Beitrag liegt in der fachlichen Betreuung der begleitenden Projekte, die im Rahmen der Olympiavorbereitung laufen, wie zum Beispiel die Windmesssysteme auf unseren Trainerbooten oder das Meteo & Tidal Projekt, welches wir zusammen mit dem Gstaad Yacht Club bereits seit Anfang 2011 umsetzen. Einen grossen Beitrag zur „ Peak Performance “ am Tag X werden auch die regelmässigen Ergebnisse unserer engmaschigen sportmedizinischen Leistungsdiagnostik in der Schulthess Klinik leisten, die ja allen individuellen Konditionstrainern zur Verfügung stehen. Ich gehe davon aus, dass unsere Athleten topfit an die Olympischen Spiele reisen.
Welchen Stellenwert nehmen die Junioren in der neuen Struktur ein ?
Wir alle wissen, dass der langfristige Leistungsaufbau bis hin zum Olympianiveau im Segelsport rund 12 bis 15 Jahre dauert. In dieser extrem langen Zeitspanne müssen die hochtalentierten Segler sehr umsichtig geleitet und begleitet werden, um alle Hürden erfolgreich zu meistern. Während im Optimist meist noch eine ausreichend grosse Anzahl von Buben und Mädchen leistungsorientiert und international segelt, ist der Drop Out bereits beim Umstieg in die zweite Bootsklasse beträchtlich. Den weitaus grössten Verlust an Seglern verzeichnen wir aber beim Einstieg in die olympische Bootsklasse im Juniorenbereich (17-19 Jahre). In diesen Altersbereich fallen gleich mehrere Lebensereignisse, die sich ungünstig auf den Karriereverlauf auswirken können wie z.B. Matura, Auslandaufenthalte, Neuorientierungen durch Studium oder Ausbildung. Nur wenn wir unseren Junioren über diese kritische Periode hinweghelfen und die Einstiegsmotivation im olympischen Segelsport nicht allzu schnell nachlässt, können wir von einem Aufbau weiterer Potenziale in Richtung 2016, mehr aber noch 2020 sprechen. Angesichts dieser Situation ist die Investition in einen hauptamtlichen Junioren-Nationaltrainer im Jahr 2012 unverzichtbar. Die konkrete Antwort auf die Frage lautet : einen sehr hohen Stellenwert.
Welche Mittel werden für die Evaluation ihres Potenzials und die Betreuung eingesetzt ?
Wir investieren rund CHF 200‘000 jährlich in den Juniorenbereich. Die Förderung beginnt bei guter Leistungsentwicklung in der Regel mit einer ersten Sichtung am jährlich durchgeführten Talent Scout Camp*. Die Einladungen hierzu werden streng nach dem gemeinsam mit dem Ressort Jugend von Swiss Sailing entwickeleten Konzept sowie den PISTE (prognostische integrative systematische Trainer Einschätzung) Vorgaben von Swiss Olympic ausgesprochen. Neu seit diesem Jahr ist, dass wir vor der Einladung noch ein Meeting mit den Regional- und Clubtrainern geschaltet haben. Wir wollen damit ein umfassendes Bild unserer Segler erfassen, das auch die sportliche Umfeldsituation beschreibt. Anhand der Leistungen im Talent Scout Camp werden dann die Nominierungen für den Talent Pool im nachfolgenden Jahr ausgesprochen. Die Trainingsmassnahmen decken die komplette Periode der Saisonvorbereitung von Januar bis März ab, bevor die Athleten wieder von ihren Heimtrainern betreut werden. Werden in den darauffolgenden Jahren die internationalen Qualifikationskriterien für das Youth Team erreicht, wird sehr individuell gefördert und eine phasenweise Verzahnung mit dem B-Kaderathleten angestrebt, um schnell den Anschluss an deren Niveau zu schaffen.
Eine Qualifikation für Olympia 2016 in Santander wird unter anderem bei den Teams der gemischten Katamarane bereits ab 2014 möglich sein. Wie gedenken Sie diese Möglichkeit zu nutzen ?
Die Entscheidungen der ISAF auf dem letzten Mid Year Meeting in St. Petersburg sind zugegebenermassen umstritten, sie bieten jedoch auch neue Perspektiven für den olympischen Segelsport – auch in der Schweiz. Wenn ich an die Hochburg des Katamaransegelns, den Genfersee, denke, kann ich alle Zutaten für eine sehr erfolgreiche Olympiakampagne erkennen: erfahrene und professionelle Mehrrumpfsegler und -seglerinnen, das Know-how im technologischen Bereich und auch die entsprechenden finanziellen Ressourcen. Auch was die angesprochene Qualifikationsschiene anbelangt – 50% der Nationenqualifikationen werden bereits an den ISAF World Championships in Santander 2014 vergeben – bewegt man sich in einem übersichtlichen Zeitfenster. Nachdem die ISAF entschieden hat, welches Equipment in dem Event „ Mixed Catamaran “ bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janerio eingesetzt wird, werden wir sicher die Einreichung solcher Projekte bei uns forcieren.
*siehe Artikel in der Rubrik Swiss Sailing