Die bekannte französische Segelschule Les Glénans feiert dieses Jahr ihr 70-jähriges Bestehen. Auch bei den Schweizern, die das Segeln auf dem Meer erlernen wollen, ist die Institution wohlbekannt.
Technisch brauchen wir Süsswassermatrosen uns nicht vor den Seeleuten zu verstecken. Woran es uns aber unter Umständen mangelt, sind maritime Kenntnisse. Wenn es darum geht, sich in schwierigen Revieren wie in den bretonischen Küstengewässern zurechtzufinden, wird eine Ausbildung daher wärmstens empfohlen. Eine gute Anlaufstelle ist die Segelschule Les Glénans. Sie bietet qualitativ hochwertige Ausbildungen zu fairen Preisen an. Ausserdem ist sie für ihre gute Stimmung und Kameradschaft bekannt, die jeden Kurs zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Wir haben Les Glénans mitten im Winter – genauer Mitte Februar – einen Besuch abgestattet und sind in Vannes in der südlichen Bretagne an Bord eines der Schulschiffe gegangen.
Segeln, segeln, segeln
Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung kann die Bretagne durchaus auch im Winter hervorragende Bedingungen bieten. Das Klima ist deutlich milder als in unseren Alpenregionen mit ihrer klirrenden Kälte. Ein weiterer Vorteil, wenn man in dieser Jahreszeit einen Kurs belegt, ist die Chance, auf ein hochmotiviertes Team zu treffen. Realistisch gesehen begeben sich nur Draufgänger im tiefsten Winter aufs Wasser. Fahrtensegler warten lieber bis Ende März, bevor sie sich wieder an Bord wagen. Unser Trip dauert eine Woche. Dabei lernen wir, selbstständig und mit Wachablösung zu segeln und mit Gezeiten, Strömungen, Felsen und anderen Gefahren umzugehen. Nach einer kurzen Wetteranalyse steht unser Ziel fest: Es geht nach La Rochelle – das sind gut 30 Stunden Fahrt – und von dort zurück in die südliche Bretagne, in der zum Abschluss zwei Tage Küstensegeln auf uns warten.
Im Zickzack durch das „kleine Meer“
Nach der Schleuse vor dem Hafen von Vannes breitet sich eine Wasserlandschaft mit über dreissig Inseln vor uns aus. Sie wirken wie verstreute Konfetti und vermitteln den Eindruck, als wären es Hunderte. Die Einheimischen hätten dafür ein passendes Sprichwort, erklärt unser Lehrer Valentin: „Der liebe Gott hat im Golf so viele Inseln geschaffen wie Tage im Jahr.“ Sein bretonischer Name Mor bihan bedeutet nicht umsonst „kleines Meer“. In diesem Labyrinth muss man sich vor vielen Passagen in Acht nehmen. Strömungen und Gezeiten sind genaustens zu beachten, sonst stecken die beiden Rümpfe des RM1050 mir nichts, dir nichts in einer Sandbank fest oder prallen auf einen Felsen. Einige Strömungen wie die zwischen der Ile de la Jument und der Ile de Berder können bei starkem Gezeitenstrom 9 Knoten erreichen. Wer das Revier nicht genau kennt, muss sich daher entsprechend vorbereiten. Kurz nach Arzon verlassen wir das kleine Binnenmeer und fahren in die Bucht von Quiberon. Sie ist gut vor Wind und den langen Wellen des offenen Meers geschützt. Wir machen einen kleinen Umweg zwischen Belle-Ile und Houat, schliesslich sind wir Touristen, und nehmen dann den langen Steuerbordkurs bis nach La Rochelle in Angriff.
Die Glénans-Methode
Im Unterschied zu einem klassischen Törn verzichten wir fast ganz auf Elektronik. Alles, was die Navigation erleichtert, wird links liegen gelassen. Wir erschweren uns die Aufgabe absichtlich, segeln nachts, im Schätzmodus, das heisst per Koppelnavigation, und zirkeln zwischen Felsen hindurch. Wenn das GPS-Gerät zum Einsatz kommt, dann nur, um anhand einiger Positionen zu prüfen, ob wir auf dem richtigen Kurs sind. Zum Glück behält Valentin mit seinem Smartphone unauffällig die elektronische Karte im Blick, damit er im Notfall eingreifen kann. So weit kommt es aber nicht.
Die Nacht bricht ein und nach einem köstlichen, in der gut ausgestatteten Küche des RM zubereiteten Abendessen beginnen die Wachen: drei Stunden an Deck, eine Stunde Schlaf… so lange, bis die ersten Sonnenstrahlen die Dunkelheit durchbrechen. Wir gleiten vor der Küste weiter südlich, vorbei an Noirmoutier, Saint-Gilles und Les Sables-d’Olonne mit seinem imposanten Leuchtturm. An Steuerbord beleuchten die grellen Lichter der Leuchttürme auf der Ile d’Yeu unseren Weg. Während der Wachen üben wir uns darin, unsere Position im Licht der Leuchttürme per Triangulation oder Übertragung der Landmarken zu bestimmen. Eigentlich keine Hexerei, aber wir sind die Elektronik so gewohnt, dass wir sogar das Grundlegendste vergessen.
Es wird langsam hell, die Anhaltspunkte an der Küste werden wieder sichtbar, sodass wir zwischen der Ile de Ré und dem Festland hindurchsegeln können. Zum Abschluss fahren wir unter der spektakulären Brücke zwischen der Insel und dem Festland hindurch. Boote mit hohem Mast sollten sich aber besser zuerst vergewissern, ob sie die maximale Durchfahrtshöhe nicht übersteigen.
Einer der Vorteile der Wintersaison ist die grosse Auswahl an Hafenplätzen. Sogar direkt neben dem Hafenamt sind Plätze frei. Nach einer wohlverdienten Ruhepause wird bereits wieder zur Rückfahrt geblasen. Doch diesmal wird uns die Aufgabe noch einen Tick erschwert. Wir müssen ganz auf das GPS-Gerät verzichten. Koppelnavigation ist angesagt, die gute, alte Art eben. Unser Segellehrer hat uns aber auf den Geschmack gebracht. Wir nehmen die Herausforderung gerne an… und bringen das Schiff unversehrt in seinen Heimathafen zurück.